Berner Museumsgeschichten
Die Vergangenheit im Blick: visionär, akribisch, leidenschaftlich
Bendicht Moser (1862-1940) steht am Anfang der vor 80 Jahren gegründeten Vereinigung für Heimatpflege Büren. Nicht weil er diese gegründet hätte, sondern weil sein Nachlass und seine damit verbundene Haltung den Auslöser und das Fundament für die Gründung der Vereinigung lieferten. Der legendäre Posthalter aus dem seeländischen Diessbach gehört zu den faszinierendsten Sammlerpersönlichkeiten der Berner Museumswelt.
Als Posthalter, Geometer und Altertumsforscher, als begnadeter Zeichner und akribischer Sammler war Bendicht Moser seiner Zeit weit voraus. Mitten in einer vom Fortschrittsglauben und galoppierenden Wandel angetriebenen Gesellschaft wandte er sich mit viel Gespür und wachem Blick der Vergangenheit zu.
Nach dem Tod seines Vaters übernahm er als 20jähriger Jüngling dessen Beruf als Geometer und Posthalter. Auf dem täglichen Arbeitsweg zu Fuss nach Biel besuchte er oft die Ruinen des Vicus Petinesca bei Studen und begann 1892 mit der Erstellung eines archäologischen Inventars über den ganzen Kanton Bern – dokumentiert mit handgefertigten Plänen, Karten und Zeichnungen. Immer öfter wurde er bei Ausgrabungen hinzugezogen und gilt als bedeutender Mitbegründer der wissenschaftlichen Archäologie im Kanton Bern. Gleichzeitig legte er im Obergeschoss seines Posthalteramts eines der grössten privaten archäologischen, naturwissenschaftlichen und heimatkundlichen Museen der Schweiz an. Noch kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, als in Nazi-Deutschland die ersten Kirchenglocken zu Kriegsmaterial umgegossen wurden, bestieg Bendicht Moser im Alter von 75 Jahren sämtliche Kirchtürme im Seeland, um die Glockeninschriften als Gipsabdrücke der Nachwelt bewahren zu können.
Im Buch, das zum 80. Todesjahr von Bendicht Moser in der Reihe der Bürener Hornerblätter der Heimatvereinigung erschienen ist, sinniert Autor Elias Meier: «Man kann sich nur träumen, wie die Sammlung von Moser ausgesehen haben mag: ... wie in Vitrinen die römischen Münzen neben den raren Briefmarken glänzten..., daneben schillerten aufgespiesste Käfer, Schmetterlinge und Kristalle. Auf den Dachbalken standen lederne Feuerwehreimer, darunter hingen Gewehre der Bourbaki-Armee... An der hinteren Wand standen lagen auf Regalen geordnet hunderte Steine, Fossilien und archäologische Fundstücke. Auf mehreren Gestellen konnte man die Siegelsammlung betrachten... wundervolle Kacheln aus dem Mittelalter und kurze Teilstücke römischer Wasserleitungen. An den Wänden hingen die schönsten Exemplare aus der Plakatsammlung... In der Mitte des Raumes präsentierten sich die Gipsmodelle verschiedener Burgruinen und die Abgüsse vieler Glockeninschriften. Alle Objekte waren fein säuberlich in farbigen Schächtelchen sortiert und von Hand beschriftet. Der Dachboden glich einem gigantischen bunten Archiv... Bunt, weil die Schachteln zweckentfremdete, farbig bedruckte Behälter für Tabletten, Zigarren oder Schrauben waren. Jede Münze, jede Seite seiner Feldbücher und jede Publikation war mit einer Nummer versehen und inventarisiert... Im Stockwerk darunter befand sich Bendichts Bibliothek mit seinen vielen Plänen, Karten und Büchern... Schliesslich befand sich hinter dem Haus der grossartigste Garten, den es wohl je in Diessbach gegeben hat. Dort konnte man Figuren betrachten, die er aus manchen Kirchen und Kapellen aus dem Seeland gerettet hat. Dort lagen die schönsten Kiesel, Schneckenhäuser und Bodenplatten, die er im Lauf seines Lebens sammelte. Und dort wuchsen manche seiner geliebten Pflanzen, die er während vieler Jahre gezogen hatte...»
Während Umfang, Vielgestalt und Systematik des Museums nachgezeichnet werden können, wird man mangels verlässlicher Berichte oder Innenaufnahmen nie wissen, wie Bendicht Mosers Museum wirklich ausgesehen hat. Sein Tod, verschollene Dokumente und eine wohl auch kriegsbedingt nicht sofort erfolgte Sicherung seiner Sammlung haben seinem Nachlass zugesetzt. Erst zwei Jahre nach seinem Tod wurden eine Stiftung in seinem Namen und die Heimatvereinigung Büren gegründet, um sich der Sammlung anzunehmen und sie im Gebäude des Spittels zu sichern. Allerdings fand nur ein Teil des Nachlasses seinen Weg nach Büren und geriet über längere Zeit in Vergessenheit. 2012 entdeckte Elias Meier nach dem Tod eines Enkels von Bendicht Moser auf dessen Estrich Überreste des alten Museums. Nach einer siebenjährigen Odyssee quer durch die Schweiz konnten in der Folge grosse Teile der ursprünglichen Sammlung wieder zusammengetragen werden.
Aus Bendicht Mosers ebenso faszinierendem wie wertvollem Nachlass spricht seine ausgeprägte Beobachtungsgabe ebenso wie seine Überzeugung, dass es für die Erforschung und Wertschätzung der Vergangenheit ein waches Auge braucht. So war Moser zeitlebens kein Freund davon topographische Strukturen, Burgruinen oder auch Fundstücke allein mit langen Texten zu beschreiben. Viel mehr Bedeutung hatten für ihn Zeichnungen, Reliefs oder Planaufnahmen. Es ist bekannt, dass Moser für zahlreiche Berichte und Lehrmittel Zeichnungen erstellte, um so die Archäologie für die breite Bevölkerung anschaulich und interessant zu machen. Im Rahmen der Neuinventarisierung der Stiftung Bendicht Moser kam es im Sommer 2020 zu einer sensationellen Entdeckung, die Mosers Überzeugung und Leidenschaft für die Bebilderung auf wunderbare Art und Weise aufzeigt. Mehr zum spektakulären Fund in einer weiteren Museumsgeschichte
Zum Weiterlesen oder besuchen:
- Meier, Elias 2020: Kein Weg ist zu weit. Auf den Spuren von Bendicht Moser (1862-1940). Hornerblätter 2020. (216 Seiten, 92 Abbildungen, ISBN 978-3-033-08168-0)
- Vereinigung für Heimatpflege Büren
- Museum Spittel in Büren an der Aare
Abbildungen: (1) Porträtfoto Bendicht Moser, (2) Ehepaar Anna Maria und Bendicht Moser mit Tochter vor der Post Diesbach um 1912, (3) Original-Archivschachtel aus dem Diessbacher Museum mit Fossilien, Mineralien, Pfeifenkopf und Resten einer römischen Öllampe, (4) Blatt mit aquarellierten Fundzeichnungen.
Alle: Bendicht Moser Stiftung / Vereiningung für Heimatpflege, Büren a. A.